6.9.23
Russland bleibt unruhig
Für Präsident Putin läuft es nicht rund. Mit dem gewaltsamen Tod seines ehemaligen Protegés und nachmaligen Aufrührers Prigoschin hat Putin zwar scheinbar Stärke gezeigt (wie man in seinem System halt Stärke zeigt), fraglich ist jedoch, welche neuen Dämonen er geweckt haben könnte.
Noch ist unklar, wie sich die Tausenden Wagner-Söldner letztendlich orientieren werden. Manche Beobachter rechnen mit Bestrebungen, für Prigoschins Tod, der aus ihrer Sicht einen Helden hinweggerafft hat, Rache zu üben. Viele werden sich der Armee einordnen lassen, andere werden sich bereits bestehenden anderen Söldnertruppen anschließen, die möglicherweise stärker an Armee und Geheimdienst gebunden sein könnten, die aber – wie Beobachter meinen – durchaus auch Verselbständigungstendenzen zeigen. In einem zunehmend dysfunktionalen Staat ist dies keine gute Aussicht. Fraglich bleibt weiters, wie die Interessen der Wagner-Gruppe und ihrer Tausenden Angehörigen in Afrika weitergeführt werden. Dabei geht es um Machterhalt der unterstützten Autokraten, um Rohstoffe und um viel Geld.
Manche Analysten gehen davon aus, dass Kritiker und mögliche Kontrahenten im Kreis der Systemelite durch den Flugzeugabsturz Prigoschins gewarnt sein und daher leise treten werden. Andererseits hat Prigoschin gezeigt, dass er nahe daran war, im Kreml umzurühren. Das hat wohl Putins bekannte Paranoia noch verstärkt. Was wäre die Folge: weitere Verhärtung im Innenverhältnis, Verfolgung von Gegnern, weitere Todesfälle von als illoyal betrachteten Gefolgsleuten und schließlich als Endpunkt ein Terrorsystem, wie es Stalin unterhielt. Denn abweichende Meinungsäußerungen sind inakzeptabel geworden. Wird dies nicht allenfalls einige aus den engeren Kreisen nicht vielleicht auf die Idee bringen, rechtzeitig das Steuer herumzureißen, um sich selbst zu schonen?
Dazu kommen herbe Rückschläge an der Front wie die ukrainische Durchbrechung einer russischen Verteidigungslinie in der Nähe von Saporoschje, massive Drohnenangriffe auf militärische Infrastruktur, sogar im russischen Hinterland, darunter auf Moskau.
Das Prestigeprojekt Mondsonde ist – anders als das indische Gegenstück – auf der Oberfläche des Erdtrabanten spektakulär zerschellt. Der Cheftechniker des Projekts ist ein weiteres der vielen Opfer von rätselhaften Unfällen. Er musste narrische Schwammerln essen und starb daran.
Die Teilnahme am BRIC-Gipfel in Südafrika konnte Putin wegen des internationalen Haftbefehls aufgrund von Verdacht auf Kriegsverbrechen nicht selbst wahrnehmen.
Kuba wehrt sich gegen russische Rekrutierungsversuche auf der karibischen Insel für den Ukrainekrieg.
Der langjährige Verbündete Armenien sagte kürzlich ein geplantes Manöver mit dem bisherigen Protektor Russland ab und veranstaltet dafür nunmehr ein solches mit den USA.
Es soll in Kürze ein neuerliches Treffen mit dem chinesischen Präsidenten Xi geben. Wird sich dieser von Putin noch tiefer in die Unterstützung Russlands hineinziehen lassen oder wird er eher seine Ungemach mit dem Verlauf des Ukrainekrieges zum Ausdruck bringen? Wir werden beobachten.
Es gibt auch Erfolgsmeldungen als Trost: Die russischen Trollfabriken funktionieren noch bestens und bearbeiten entsprechend die öffentliche Meinung im Westen und des sogenannten globalen Südens. Iranische Drohnen sind eine große Stütze. Der bevorstehende Besuch des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Un verspricht nordkoreanische Munitions- und Waffenlieferungen für das Ukraine-Abenteuer. Wie weit Russland doch gekommen ist….
Es steht trotzdem anzunehmen, dass Putin zur Zeit nicht sehr gut schläft. Sein Land bleibt unruhig und damit auch entsprechend gefährlich.