Unruhe am Balkan

Watch Out Flashpoints 29.9.2023

Die über die Weltpolitik herein gebrochene “Zeitenwende”, die wir derzeit erleben, die die Unsicherheit in vielen Regionen erhöht und vielfach zu einer Verhärtung der Position anstelle von Kompromissbereitschaft geführt hat, hat auch den Balkan erfasst.

Diese Region, nur wenige Kilometer von Österreich entfernt, ist seit dem Zerfall Jugoslawiens durch mehrere brodelnde Krisen gekennzeichnet. In den letzten Tagen kam es zu Schießereien im Nordkosovo, die schwersten Auseinandersetzungen seit Jahren.

Ausgangspunkt für alle Zerwürfnisse zwischen den mehrheitlich christlich-orthodoxen Serben und den zumeist muslimischen Albanern im Kosovo stellt wohl die Schlacht von Kosovo Polje (kosovarische Felder) im Jahre 1389 dar. Dort verloren die Serben gegen die heranstürmenden Ottomanen, womit die osmanische Herrschaft für 500 Jahre begann.

Spannungen begannen sich nach dem Tod des starken Mannes Jugoslawiens, Marschall Tito, zu mehren. 1989 schränkte Serbiens Präsident Slobodan Milosevic die im kommunistischen Jugoslawiens gewährten Autonomierechte für Kosovo mit dem Argument ein, es handle sich seit alters her schließlich um urserbisches Gebiet. Kriegerische Ereignisse und schwere Menschenrechtsverletzungen waren die Folge, die zum Eingreifen der Nato führten.

1992 erklärte sich Kosovo zum unabhängigen Staat, der von vielen westlichen Staaten und der EU anerkannt wurde, nicht aber von Serbien. Auch nicht von Russland.

Im Norden des Kosovo haben ethnische Serben die Mehrheit, weshalb sich Serbien gewissermaßen als Schutzmacht gebärdet.

Die nunmehrige Unruhe, die durch ein angeblich serbisches Kommando, das das Feuer eröffnete, ausgelöst wurde, und die kosovarischen Reaktionen haben dazu geführt, dass Serbien im Grenzgebiet zu Kosovo Truppen zusammengezogen hat.

Der serbische Präsident Vucic hat zwar erklärt, Serbien sei nicht an einem Krieg interessiert. Man wolle die serbischen Fortschritte am Weg in die EU nicht gefährden. Ob er sich daran hält und wie sehr sich die kosovarische Regierung darauf verlässt, wird man sehen.

Was jedoch klar aus dieser Aussage hervorgeht, ist die Verantwortung, die die EU für die Region trägt. Die europäische Friedensdividende, einer der wichtigsten Ansprüche der EU seit den ersten Gründungsschritten, muss zur Entfaltung gebracht werden. Die EU hat eine weitere heikle und wichtige Aufgabe in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft.

Zur möglichen Prävention weiterer Ausschreitungen oder Kampfhandlungen wurde angekündigt, dass die Kosovo Force (KFOR), eine internationale Sicherheitstruppe, die unter NATO-Führung steht, aufgestockt werden soll. Auch Österreich beteiligt sich seit 1999 an der KFOR.

Der selbstständige Staat Bosnien und Herzegowina wurde ebenfalls 1992 gegründet. Seine heutige Form mit der Teilung in Föderation Bosnien und Herzegowina (mehrheitlich Bosnier und bosnische Kroaten) und Republik Srpska (mehrheitlich Serben) geht auf das Dayton-Abkommen 1995 zurück.

Das Dayton-Abkommen hat das Land vor weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen, die mit unglaublicher Brutalität geführt worden waren, zwar bewahrt, funktioniert jedoch mehr schlecht als recht. Das erschwert Fortschritte in der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung ebenso wie in den Bemühungen des Landes in Richtung EU-Beitritt.

Die Abspaltungstendenzen der von Serbien unterstützen Republika Srpska und die diesbezügliche Haltung deren Präsidenten, Milorad Dodik, erweisen sich so intensiv wie eh und jeh.

Der Hohe Repräsentant der Internationalen Staatengemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, der Gesetze erlassen und aufheben kann und das Ganze zusammenhalten soll, der ehemalige deutsche Minister Christian Schmidt, scheint sich bei der Bewältigung seiner kritischen Aufgabe schwerer zu tun, als sein Vorgänger der österreichische Diplomat Valentin Inzko, der ein profunder Kenner von Sprache, Kultur und Psyche des Landes war. Schmidt scheint keine Gesprächsbasis mehr mit Dodik zu haben, was immer schon schwierig war.

Die EU unterhält zahlreiche Programme zur Unterstützung des Landes sowie einen eigenen Hohen Repräsentanten. Der Balanceakt, den die EU spielen muss, wird nicht leichter.

Wie auch im Falle des Kosovo, Serbiens und des gesamten Westbalkans erscheint eine Beschleunigung des Weges dieser Länder in Richtung EU die einzige vernünftige Lösung. Die europäische Perspektive sollte für die Region klar vor Augen liegen, und zwar als etwas, das tatsächlich in vernünftiger Zeit erreicht werden kann, nicht etwas, das auf den Sanktnimmerleinstag verschoben wird.

Aus naheliegenden Gründen versteht die österreichische Außenpolitik die Region des Westbalkans als eine Schwerpunktregion. Dementsprechend vernehmen sich die Stimmen der für die österreichische Außen- und EU-Politik Verantwortlichen mit Nachdruck für die europäische Perspektive der Region.”