Irgendwie scheint sich die Welt schneller zu drehen. Internationale Politik zu verfolgen, macht zwar zur Zeit alles andere als fröhlich. Selten jedoch war die Weltpolitik so spannend.
Veränderungen und Verschiebungen, die sich in kurzen Zeitabständen ergeben, sind geradezu atemberaubend. Jeder, der sich die Zeit nimmt, die Ereignisse der letzten beiden Jahre in Erinnerung zu rufen, wird diese Meinung teilen.
Machen wir einen Blick nach Nahost:
Iran hat sich mehr oder weniger deutlich als Spiritus rector des Chaos im Nahen und Mittleren Osten geoutet. Der – abgewehrte – Angriff mit Hunderten Drohnen und Dutzenden Raketen auf Israel kann als Gamechanger gesehen werden. Ebenso der “maßvolle” Gegenschlag Israels, mit dem es gezeigt hat, dass es die heikelsten Orte im Iran erreichen kann, wenn es denn nur will.
Noch viel spannender aber: das Entstehen einer “geheimen” Koalition, wie es manche Medien nannten, mit der noch vor kurzem niemand gerechnet hätte. An der Abwehr des iranischen Angriffs waren neben Israel, USA, GB und Frankreich vor allem – und das ist allerhand – Jordanien, die kurdischen Teile des Irak, die Golfstaaten, Ägypten und – zumindest indirekt und offiziell geleugntet – das allerkritischeste sunnitische Land, nämlich Saudi Arabien, beteiligt.
Das heißt, was mit den Abraham-Accords begonnen wurde, konnte erstmals strategisch in die Tat umgesetzt werden. Das heißt auch, dass weder der 7. Oktober noch der daraus resultierende Gazakrieg noch der iranische-israelische Schlagabtausch diese neuen Gemäuer aus dem Gefüge bringen konnten.
Im Gegenteil.
Eine Folge des iranischen Angriffs und der israelischen Bereitschaft, dem Wunsch der Amerikaner auf einen beschränkten Gegenangriff zu folgen, haben nunmehr den israelischen Handlungsspielraum in Gaza um Rafa sowie gegen Hisbollah im Libanon drastisch erweitert. Bisher hat das erste Anzeichen eines möglichen Umdenkens bei Hamas gebracht, offenbar nicht zuletzt aufgrund des Zuredens von Quatar und von Präsident Erdogan.
Auch aus der EU (darunter Österreich) kam endlich die Aufforderung an die Hamas, die Geiseln freizulassen, was sehr rasch zu einer Waffenruhe beitragen könnte, und zwar nicht als Forderung, sondern als Fait accomplis. Eigentlich war das überfällig.
Gleichzeitig sind zumindest vorläufig die Meldungen von Huthi-Angriffen auf die Schiffahrt zumindest vorläufig zurückgegangen. Offenbar hat auch China verstanden, dass letztlich der Schaden für seine ohnedies etwas schwächelnde Wirtschaft langfristig größer ist als möglicher kurzfristiger politischer Gewinn aus dem regionalen Chaos.
Szenenwechsel: Kongress Washington
Auch hier tut sich geradezu eine Zeitenwende auf. Zum ersten Mal seit Jahren ist es im Kongress gelungen, in einer weltpolitisch entscheidenden Angelegenheit die strikte Parteilichkeit über Bord zu werfen und mit dem großen Hilfspaket für Ukraine und Israel einen überparteilichen Beschluss herbeizuführen.
Held der Stunde ist, wenn er die Angriffe seiner erzkonservativen Parteikollegen überlebt, Speaker Mike Johnson, der sich nach langem Zögern aufgerafft hat, das Richtige im Interesse sein Landes aber auch der gesamten freien Welt zu tun und die Blockade des Hilfspakets freizugeben.
Im Gegensatz zu vielen (möglicherweise troll-gesteuerten) Unkenrufen, hat das Hilfspaket das Zeug der Ukraine zu helfen, das Ruder doch noch einmal herumzureißen. Diese Entscheidung wird auch die Bereitschaft europäischer NATO-Mitglieder befeuern, ihre ohnedies bereits gesteigerten Beiträge zugunsten der Ukraine zu erhöhen. Deutschland jedoch scheint weiterhin auf der zögerlichen Seite verharren zu wollen.
Jedenfalls werden die nächsten Monate für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zunehmend an Spannung gewinnen.
Fortsetzung folgt.